Das Forschungsprojekt „Learning to Battle. Battlerap zwischen Handwerk und Lebensgefühl!“ wurde zwischen September 2014 und September 2015 von einem For- schungsteam durchgeführt, das interdisziplinär zusammengesetzt war (es bestand aus jeweils zwei Soziolog*innen der Freien Universität Berlin sowie zwei Bildungswissenschaftler*innen der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg). Im Rahmen des Forschungsprojekts wurde u. a. dem Bildungserleben nachgegangen, das sich bei dem Erlernen des Freestyle-Battlerap einstellt. Beim Freestyle-Battlerap sind die Gegner aufgefordert, sich gegenseitig auf einem Beat (Rhythmus) in Form des Freestyle-Rap zu beleidigen. In Form von teilnehmenden Beobachtungen, Videoanalysen und verstehenden Interviews mit Battlerappern konnte mit Rückgriff auf die dokumentarische Methode, narrationsanalytische Verfahren sowie die qualitative Inhaltsanalyse das Wirkgefüge eines Bildungsraums rekonstruiert werden: So war allen befragten Gesprächspartnern gemeinsam, dass eine jahrelange Bindung zum Rap bzw. Battlerap vorhanden war. Entscheidender biografischer Wendepunkt hin zu einem professionstheoretischen Selbstverständnis als Battlerapper war das aktive Teilnehmen an der Battlerap-Liga „Rap am Mittwoch“. Diese Battlerap-Liga bot den Akteuren einen Raum für die Narration als Battlerapper. Die Battlerap-Liga konstituiert einen öffentlichen Raum sozialer Anerkennung und wirkt initial auf die Battlerapper, sich in diesem Raum „auszuprobieren“ und die eignen Fähigkeiten als Battlerapper weiterzuentwickeln. Ausschlaggebend ist dabei, dass bei „Rap am Mitt- woch“ der Battlerap in Form eines Turniersystems formalisiert ist: Im Rahmen eines regelgeleiteten Wettbewerbs, der eine Qualifikationsrunde, Vorrunde, Halbfinale und Finale umfasst, können Battlerapper gegeneinander antreten. Dieser Rahmen konstituiert die Relation
- Battlerapper/andere Battlerapper als Kontrahenten und • Kollegen/Publikum.
Dieses Gefüge ermöglicht es, dass die Battlerapper im Zuge des Wettbewerbs Anerkennung von anderen Battlerappern sowie vom Publikum erfahren. Die soziale An- erkennung führt zum Ausbau eines positiv konnotierten Selbst-/Weltverhältnisses, im Zuge dessen das Selbstverständnis als Battlerapper verstärkt wird. Zugleich wer- den die Fertigkeiten und Fähigkeiten anderer Battlerapper wertgeschätzt und nicht abgewertet. Flankiert wird die soziale Anerkennung durch den Technikanspruch, der Battlerap auszeichnet. Ein Effekt des Technikanspruchs besteht darin, dass die Batt- lerapper sich als selbstwirksam wahrnehmen. Dies eröffnet einen Raum der Selbst- ermächtigung: Wenn etwas nicht angemessen funktioniert, kann an den eigenen Technikkompetenzen gearbeitet werden. Im Sinne des selbstregulierten Lernens wird das eigene Lernen organisiert, evaluiert und modifiziert. Die Selbstermächtigung durch das Arbeiten an der Technik initiiert Prozesse des Bildungslernens und ermöglicht es auch, Frustrationserlebnisse wie Niederlagen konstruktiv zu wenden. Eine ethische Prämisse des Battleraps liegt darin, dass es keine Grenzen der Beleid gung gibt. Dabei ist den Rappern bewusst, dass die im Battle geäußerten Herabwürdigungen als soziale Konstrukte erkannt werden: Im Spiel der Beleidigungen lösen sich diskriminierende Semantiken von Herabwürdigungen auf. Hierarchien, die sich in Herabwürdigungen manifestieren, werden durch den ironisch-distanzierenden Blick des Battleraps auf Herabwürdigungen nivelliert.
Durch die Battlerap-Liga wird subkulturell ein institutioneller Rahmen aufgespannt, in dem sich eine anerkennende Interaktion entfaltet, in deren Rahmen die Battlerap- per Bildungsprozesse durchlaufen. Basis ist das geteilte Wertegefüge einer kompetitiven Kollegialität. Durch den gemeinsamen Wettstreit verbessern sich beide Rapper und erfahren Anerkennung. Der Wettkampf wird auf einer übergeordneten Ebene zum gemeinsamen Projekt. Der ironische Umgang mit Stereotypen evoziert eine relativistische Perspektive auf soziale Konstruktionen und führt zu einer diversitäts- sensiblen, postidentitären/queeren Haltung gegenüber Identitätskonzepten. Dagegen erfährt das „Beherrschen des Handwerks“ als Qualitätsmerkmal eine zentrale Relevanz.